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C H R O N I K

Kronika

Ein Ort des Wandels am Ufer des guten Bachs 

Güttenbach wird zum ersten Mal im Jahre 1427 mit der Bezeichnung Vyfalu (sprich "Ujfalu") urkundlich erwähnt. Dass die Gegend schon viel früher bevölkert war, dokumentiert der keltische Münzschatzfund im Jahr 1927, der eine Besiedelung um das 1. Jh. v. Chr. nahelegt.

 

Ab dem Jahre 1524 gehörte der ursprünglich mit Deutschsprachigen (und vermutlich auch mit Magyaren) bewohnte Ort zu den Batthyányschen Besitzungen. Nach einer Wirtschaftskrise im ausgehenden Mittelalter, zahlreichen Epidemien und nach den Türkenzügen von 1529 und 1532 war ein großer Teil der damaligen westungarischen Landstriche verödet und verwüstet. Diese Tatsache schuf die Voraussetzung zur Einsiedlung kroatischer Kolonisten. Die Umsiedlungsaktionen wurden von den Grundherren, den Adelsfamilien Nadasdy, Erdődy und Batthyány organisiert, die sowohl in Westungarn als auch in Zentralkroatien Ländereien besaßen. Aufgrund des Vordringens des Osmanischen Reiches auf der Balkanhalbinsel schien es für die Grundherren sicherer, Leibeigene aus den südlichen Besitzungen in den westungarischen Raum umzusiedeln. Auch militärstrategische Überlegungen spielten eine Rolle. Südöstlich der Hauptstadt Wien sollte sowohl aus Versorgungs- als auch aus Verteidigungsgründen eine funktionierende ländliche Infrastruktur erhalten werden. Nach vorsichtigen Schätzungen sind im 16. Jahrhundert etwa 20.000 bis 60.000 kroatische Siedler in das Gebiet des heutigen Burgenlandes, den südöstlichen Teil Niederösterreichs, in Teile Westungarns, Südmährens und der Südwestslowakei umgesiedelt worden. In mehreren Schüben mischten sich Flüchtlingsströme und organisierte Umsiedlungen, wie erhalten gebliebene Anordnungen des Grafen Batthyány aus dem Jahr 1532 zeigen.

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Im Zuge der Umsiedelung wurde das Dorf im ersten Urbar 1576 "Gyetenpach" (guter Bach) genannt. Im erwähnten Verzeichnis sind die ersten Bewohner namentlich angeführt. Die kroatischen Familiennamen wie Hajszan (Hayzan), Jandrisits (Jandrycyct) und Stubits (Stwbyvh), die unter anderem im ersten Urbar vorkommen, sind heute noch vorhanden. Erwähnenswert ist, dass der heute verbreitetste Familienname Radakovits mit seinen Familienangehörigen vom Kaiser und König Rudolf II. geadelt wurde. Die damaligen Bewohner des Ortes waren Leibeigene und Untertanen der Güssinger Großgrundbesitzer, die für die Grafen arbeiten, Dienste verrichten und Abgaben leisten mussten.

 

Zweisprachigkeit durch kroatische Ansiedelung vor 450 Jahren

Wie aus dem oben erwähnten hervorgeht, war Güttenbach ab der Mitte des 16. Jahrhunderts ein zweisprachiges Dorf. Die kroatische Bevölkerung muss sich sehr rasch etabliert haben, denn nach den als Erstes genannten Bürgermeistern (Ruiß 1576 und Knor 1588) wurden schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts kroatischnamige Ortsvorsteher (Biro) gewählt, wobei Haissn Iwan sein Amt von 1706 - 1719 ausübt. Danach führten bis zum heutigen Tag nur Kroaten die Amtsgeschäfte der Gemeinde. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass die Namensträger des deutschen Familiennamens KNOR, (der schon im ersten Urbar des Jahres 1576 vorkommt) heute alle kroatischsprachig sind. Das ist ein Beleg dafür, dass die in Güttenbach ansässigen Kroaten auch deutschsprachige Mitbewohner "kroatisiert" haben.

 

Bauernbefreiung

Mit der Bauernbefreiung im Jahre 1848 waren die Probleme für die bäuerliche Ortsbevölkerung nicht aus der Welt geschafft. Schlechte, wenig fruchtbare Ackererde, Arbeitslosigkeit, Hunger und Not veranlassten viele Güttenbacher, ihre Heimat in Richtung Amerika und Kanada zu verlassen. Die meisten Auswanderungen nach Übersee waren um die Jahrhundertwende, nach dem Ersten Weltkrieg, als das Burgenland von Ungarn zu Österreich kam, und vereinzelt auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Frauen und Männer, die zu Hause nicht genügend in der Landwirtschaft erwirtschaften konnten, mussten die so genannte Grünarbeit (hauptsächlich im niederösterreichischen Marchfeld) als Ausweg in Kauf nehmen. Das bedeutete, dass sie mehr als ein halbes Jahr auswärts lebten und viele von ihnen nur die Wintermonate in Güttenbach verbrachten.

​Der zweitgrößte keltische Münzschatzfund in Österreich

Am Vormittag des 4. November 1927 ackerte der Landwirt Lukas Radakovits mit seinem Kuhge­spann auf dem westlich hinter seinem Wohnhaus ge­legenen langen  schmalen  Grundstück. 

Plötzlich  verspürte  er  einen  schwachen Widerstand  unter dem Pflug und hielt, um nachzusehen, die Kühe an. „In geringerer Tiefe” fand er daraufhin „hell­graue  Tonscherben,  vermengt  mit  vielen  grünlichgrauen  Metallplättchen”, und  sammelte  einen grünspanigen Klumpen zusammengebackener Münzen,  einige lose Münzen  sowie etliche Tonscher­ben ein,  die er am  südlichen Ackerrain beiseite legte.

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Als zu Mittag seine Tochter Agnes von der Schule nach Hause kam, beauftragte Radakovits sie, die Münzen zu holen. Die zwölfjährige Agnes sammelte die Münzen in ihrer Schürze, trug sie nach Hause und reinigte sie mit Bürste und Wasser. Es waren etwa 150 Stück Münzen und einige Tonscherben. Bei dieser ersten Reinigung waren außer Ag­nes noch weitere Dorfkinder anwesend, sodass sich der Schatzfund rasch im Ort herumsprach. Rada­kovits zeigte die Münzen am Abend und in den nächsten Tagen den Verwandten und Nachbarn, um ih­re Meinung über Alter und Wert des Fundes zu hören. Einige Stücke wurden auch dem Pfarrer von Neuberg und dem Lehrer vorgelegt. Tage später erhielten auch der Gendarmerieposten und das Gemeindeamt in St. Michael Kenntnis von dem Fund.

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Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der keltische Silbermünzschatzfund von Güttenbach - der zweitgrößte Keltenmünzfund Österreichs nach Simmering - mindestens 214 Stück Großsilber­münzen des ostkeltischen Velemertyps enthalten hat. Als Vergrabungszeit wird etwa die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. - möglicherweise die Zeit der Boiereinwanderung oder der Boier-Dakerkriege - anzunehmen sein. Die Wirtschafts­verbindungen dürften wohl mit der spätkeltischen Eisenindustrie im Burgenland zusammenhängen. Der Verberger des Münzschatzes wäre dann im Kreis der keltischen Eisengewerken zu suchen.

Copyright Karl Kaus
"DER KELTISCHE MÜNZSCHATZFUND VON GÜTTENBACH FUNDGESCHICHTE UND BERICHTE"

https://www.zobodat.at/pdf/Wiss-Arbeiten-Burgenland_069_0089-0105.pdf

Die Burgenlandkroaten und ihr Glaube
Als die Kroaten in das Gebiet des heutigen Burgenlandes kamen, fanden sie sich als einzige Katholiken in einem Meer aus Protestanten wieder. Nach den Augsburger Beschlüssen 1555 waren ein Großteil der Magnaten und die Bevölkerung Ungarns und Österreichs zum Luther‘schen Glauben übergetreten. Da das Prinzip „Cuius regio, eius religio“ (Wessen Herrschaft, dessen Religion) noch immer praktiziert wurde, kam es zwischen den Kroaten und ihren Grundherren zu großen Differenzen. Diese wurden aber beseitigt, als Kaiser und König Ferdinand I. den Beschluss fasste, dass die kroatischen Siedler ihre Priester selbst wählen durften. Dies ist auch der Grundstein für die Autonomie der Kroaten, um in diesem Gebiet ihre Sprache und Kultur zu leben. Die Kirche war nämlich ein wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und genoss äußerste Autorität. Damit war die kroatische Sprache fester Bestandteil des Gottesdienstes, weiterer Zeremonien sowie an den Schulen, welche sich unter kirchlicher Obhut befanden.

Copyright VWA Paul Jandrisics: „Die Einwanderung der Kroaten in das Gebiet des heutigen Burgenlands und die ersten Jahre der Besiedelung“, 2017

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Eine Kirche von einzigartiger Stilistik

Von architekturhistorischer Bedeutung ist die röm.-kath. Pfarrkirche, welche dem Hl. Josef geweiht ist. Sie wurde mitten in der Weltwirtschaftskrise anno 1929 von keinem Geringeren als dem Architekten Prof. Karl Holey, Dombaumeister zu St. Stephan, entworfen und unter großer Mithilfe der Bevölkerung sowie der Gemeinde Güttenbach errichtet und am 28. September 1930 feierlich eingeweiht.

 

Die einschiffige Kirche mit Ziegelornamenten an der Fassade, einem hohen Rundturm sowie zwei kleinen Rundtürmen am Haupteingang, weist im Inneren ein Tonnengewölbe mit hochgeschobenem Spiegel auf. Die Inneneinrichtung stammt aus der Bauzeit. Der Hochaltar mit der Statue des Hl. Josef und die Kreuzwegstationen sind in farbiger Majolika gestaltet, der Tabernakel ist aus Messing. 

Karl Holey war Bauhistoriker, Denkmalpfleger, Dekan der Fakultät für Architektur, Rektor der Technischen Hochschule Wien, Dombaumeister und als Architekt überwiegend Kirchenbauer. Während seiner Professur an der Technischen Hochschule in Wien ab 1915 stand er ebenso wie sein Kollege Siegfried Theiß in Opposition zur Wagnerschule. Ab 1930 stieg im österreichischen Ständestaat von kirchlicher Seite die Bautätigkeit. Mitte der dreißiger Jahre kam es zur Hochblüte, die außer von Clemens Holzmeister und Robert Kramreiter auch von Karl Holey stark geprägt wurde. Karl Holey zählte zu jenen Architekten, die ihre Bauten als Reaktion auf die jeweiligen Umstände und Bedürfnisse sachlich und proportioniert formten und so im Stande waren, jeglichen inhaltslosen Dekor zu überwinden.
Copyright: http://www.architektenlexikon.at/de/238.htm

 

Die Güttenbacher Kirche war Holeys einziger Neubau im Burgenland, bei seinen Arbeiten in Jois, Nikitsch und Andau handelt es sich um Zu- bzw. Umbauten. Die Bedeutung des Bauwerks für die Gemeinde Güttenbach wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass es im Gemeindewappen das bildliche Hauptelement darstellt.

 

Aufschwung nach zwei Weltkriegen

Nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem in den sechziger Jahren, stand dem ersehnten wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung nichts mehr im Wege. Eine gediegene Kommunalpolitik, unterstützt von einer fleißigen, von starkem Willen geprägten Ortsbevölkerung, stellte sich zur Aufgabe, das Ortsbild von Jahr zu Jahr zu verschönern und eine Infrastruktur mit zukunftsorientierten Inhalten auszubauen.

Erhebung zur Marktgemeinde 1986

Mit 23. Juli 1986 wurde Güttenbach Pinkovac zur Marktgemeinde erhoben. Später wurde der Gemeinde ein Wappen verliehen, welches Güttenbachs Geschichte und Vorzüge zum Ausdruck bringt und als Zeichen eine nachhaltige Verbundenheit schafft.

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Blasonierung des Güttenbacher Gemeindewappens

„In Blau aus dem mit einem blauen Wellenbalken belegten, goldenen Schildfuß wachsend eine dreitürmige, mit einem golden vergitterten schwarzen Rundfenster versehene, goldene Kirche, begleitet von zwölf goldenen Schneckenwirbeln im Halbkreis.“
Der blaue Wellenbalken symbolisiert den im Gemeindenamen enthaltenen BACH. Die KIRCHE als das prägende Bauwerk von Güttenbach mit ihren drei runden Türmen ist als Wappenmittelpunkt dargestellt. Die Ableitung des Kirchenmotivs ergibt sich auch aus dem früheren Gemeindesiegel und dem Symbol der Türme für Märkte und Städte. Schließlich vollziehen die zwölf SCHNECKENWIRBEL zusammen mit dem Schildfuß einen geschlossenen Kreis, der den Kreislauf der Besiedelung und der Abwanderung, des Zurarbeitziehens und des Wiederheimkommens und des Kolo, des kroatischen Tanzes, versinnbildlicht.

Ehrenbürger unserer Gemeinde

Für außerordentliche Verdienste um die Marktgemeinde Güttenbach Pinkovac
wurde folgenden Persönlichkeiten die Ehrenbürgerschaft verliehen:

Prof. Ignaz Horvath - am 31. August 1968

Geistlicher Rat Ferdinand Sinkovich
- am 11. April 1981

Friedrich Sztubics
- am 16. Jänner 1993

KR Prof. Mag. Raimund Temel - am 5. Juni 2003

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